Donnerstag, 15.03.2012

Die Rückkehr von Julie Löwenstein - Gedenkstein für Opfer von NS-Euthanasiemord

„Julie Löwenstein kehrt heute in unsere Mitte zurück“, formulierte Klaus Beck vom Telgter Verein ‚Erinnerung und Mahnung e.V.’. Anlass seiner Ansprache war die Enthüllung eines Gedenksteins, eines so genannten „Stolpersteins“, vor der Kapelle des Altenheims für Ordensschwestern am St. Rochus-Hospital. Er erinnert an eine jüdische Patientin der Fachklinik, die im Dezember 1940 nach Brandenburg deportiert und dort bald darauf im Zuge der NS-Euthanasiemorde umgebracht worden war.

Zur Enthüllung des Gedenksteines kamen die Generaloberin der Mauritzer Franziskanerinnen, Schwester Sherrey Murphy (M.), und die Vorsitzende des Kuratoriums der Franziskus Stiftung, Schwester Birgitte Herrmann (2.v.r.) nach Telgte. Mit im Bild das Direktorium des St. Rochus-Hospitals (v.l.): Pflegedirektor Matthias Krake, Ärztlicher Direktor Prof. Dr. Heinrich Schulze Mönking und Geschäftsführer Volker Hövelmann.

Der Gedenkstein ist am Eingang zur Kapelle des Schwesternwohnheims am St. Rochus-Hospital Telgte in die Wand eingelassen.

Es sei damals nicht gelungen, Julie Löwenstein dem Zugriff staatlicher Stellen zu entziehen, betonte Geschäftsführer Volker Hövelmann zu Beginn der Feierstunde. Daran nahmen zahlreiche Telgter Bürger, Mitarbeiter des Hospitals sowie Ordensschwestern teil, unter ihnen die Generaloberin der Mauritzer Franziskanerinnen, Schwester Sherrey Murphy, und Schwester Birgitte Herrmann, Provinzoberin und Vorsitzende des Kuratoriums der Franziskus Stiftung.

Seinerzeit habe man im Telgter Hospital wohl keine Vorstellung davon gehabt, was Julie Löwenstein bevorstand, so Hövelmann. In einem Bericht heiße es, dass sich die Patientin, begleitet von zwei Schwestern, fröhlich winkend auf den Weg gemacht habe; alle drei seien in zuversichtlicher Stimmung gewesen. „Offenbar hat man der offiziellen Begründung der amtlichen Verlegungsanordnung – nämlich bessere Therapiemöglichkeiten – Glauben geschenkt“, sagte der Geschäftsführer.

Der heutige Blick auf das Geschehen stehe allerdings in der Perspektive von Scham und Schuld, wie der Ärztliche Direktor Professor Dr. Heinrich Schulze Mönking verdeutlichte. In Gesprächen mit Zeitzeugen habe er erfahren, dass man damals in der Bevölkerung durchaus etwas von staatlich angeordneten Tötungen Kranker geahnt habe – trotz größter Geheimhaltung. Dies müsse heute konstatiert werden, jedoch „weit entfernt von besserwisserischer Anklage“.

Telgtes Bürgermeister Wolfgang Pieper warnte davor, die Beschäftigung mit der NS-Geschichte abschließen zu wollen. „Sie wird immer eine Wunde bleiben, mit der wir uns auseinandersetzen müssen“, so das Stadtoberhaupt. Es gelte, daraus die richtigen Folgerungen für Gegenwart und Zukunft zu ziehen.

Julie Löwenstein stammte aus einer jüdischen Familie in Rietberg. Von 1938 bis Dezember 1940 lebte sie als Patientin im St. Rochus-Hospital Telgte. Von dort wurde sie auf Weisung staatlicher Stellen nach Brandenburg verlegt, wo man sie im Zuge der so genannten „Aktion T 4“, den Euthanasiemorden der NS-Diktatur, im Alter von 43 Jahren umbrachte. Als Todestag wurde offiziell der 9. Februar 1941 angegeben.